Endodontie: Fall 5 - operativ-chirurgische Behandlung

Eine 31 Jahre alte Patientin hatte akute Schmerzen am zweithintersten Backenzahn im Unterkiefer rechts und kam am 26. März 1980 zu mir in die Praxis.

Im Röntgenbild von Abb. 1 ist ein gut erbsengrosses Granulom (Pfeil) an der Wurzelspitze eines toten, devitalen Zahnes feststellbar. Die Patientin wünschte die Erhaltung des Zahnes, zumal auch der vordere Nachbarzahn marktot und beherdet war.

Abb. 2 zeigt das Röntgenbild nach der Wurzelfüllung.

Abb. 1
Abb. 1 - Granulom (grün umrundet) und meine Instrumente.

Abb. 2
Abb. 2 - Wurzelfüllung.

Ein halbes Jahr später hat die Patientin sich dazu entschlossen, den vorderen beherdeten Zahn auch endodontisch behandeln zu lassen. An Abb. 3 wird im Röntgenbild die Wurzellänge mit Instrumenten bestimmt. Man gewinnt auch den Eindruck, dass der bereits vor einem halben Jahr wurzelbehandelte Zahn in Abheilung sei.

Wieder ein Jahr später mache ich ein Routineröntgenbild der beiden wurzelbehandelten Zähne und stelle beim hinteren Zahn einen beinahe haselnussgrossen Herd fest (Abb. 4). Der Zahn ist zwar schmerzfrei, aber sicher nicht entzündungs- und keimfrei; möglicherweise ist es sogar eine Zyste (siehe Allgem. zahnärztliche Chirurgie, Fall 4)?

Abb. 3
Abb. 3 - Bestimmung der Wurzellänge mit Instrumenten.

Abb. 4
Abb. 4 - haselnussgrosser Herd beim hinteren Zahn.

Die Situation konnte so nicht belassen werden. Es gab zwei Möglichkeiten:

  • Ziehen des Zahns
  • operative Wurzelbehandluung des Zahns, was so weit hinten im Unterkiefer technisch nicht ganz einfach ist.

Gemeinsam im Gespräch mit der Patientin wurde die Operation beschlossen. Allerdings war vorgängig noch etwas zu regeln: Die Prämolaren hatten kein angewachsenes Zahnfleisch (siehe Mukogingivalchirurgie), was für den operativen Zugang zu den Wurzeln einen negativen Aspekt für die Abheilung bedeutete.

Also wurde vorgängig ein Zahnfleischtransplantat einoperiert.

Jetzt erst konnte der operative Eingriff zur Erhaltung des zweithintersten Zahnes geplant werden. Abb. 5 zeigt das Röntgenbild direkt nach dem operativen Eingriff mit den entfernten Wurzelspitzen (schwarzes Loch auf dem Röntgenbild). In Abb. 6 erkennt man 23 Jahre später die beiden wurzelbehandelten Zähne mit absolut gesunden Knochenverhältnissen und schmerzfrei. Es war an diesen Zähnen kein einziger weiterer Eingriff in all den Jahren mehr nötig gewesen.

Abb. 5
Abb. 5 - resezierte Wurzeln direkt nach dem operativen Eingriff.

Abb. 6
Abb. 6 - Situation 23 Jahre nach dem Eingriff mit den entfernten Wurzelspitzen.

Warum aber war trotz perfekter Wurzelfüllung am hinteren Zahn noch ein operativer Eingriff nötig? Die Ursache liegt in der Anatomie des Zahnes. Es kommt nicht selten vor, dass neben dem Hauptwurzelkanal sogenannte Seitenkanäle vorhanden sind, die so klein sind, dass sie röntgenologisch nicht sichtbar werden. Diese Seitenkanäle, wie sie schematisch in Abb. 7 links zu sehen sind, gewinnen dann an Bedeutung, wenn der Zahn, wie in diesem Fall, seit längerer Zeit abgestorben ist (erbsengrosses Granulom zu Beginn der Behandlung).

Diese Seitenkanäle waren also bereits zu Beginn der Wurzelbehandlung infiziert, und können weder mechanisch mit Instrumenten aufbereitet noch chemisch mit medikamentösen Einlagen erreicht werden. Der einzig erfolgversprechende Weg ist die Kombination konservativer vorgängiger Wurzelbehandlung mit operativer Entfernung der Wurzelspitze mit den infizierten Seitenkanälen.

Abb. 7
Abb. 7 - links: Seitenkanäle der Wurzel. mitte: In Fall 4 besprachen wir eine Perforation der Wurzel. rechts: abgebrochene Instrumente sind häufige Ursachen für chirurgische Wurzelbehandlungen.

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