Implantologie: Fall 10 (complex)

Abb. 1
Abb. 1 - zahnloser Oberkiefer des Patienten vor der Behandlung.

Ein 64-jähriger Patient kam zu mir mit einem zahnlosen Oberkiefer (Abb. 1), der in der Front lateral (in der Breite), im Seitenzahngebiet vertikal (in der Höhe) mittels zweier Sinuslifts aufgebaut werden musste.

Die grüne Linie zeigt den Kieferhöhlenboden im Übersichtsröntgenbildern (OPT) vor dem Sinuslift in Abb. 2. Ab dem Eckzahn ist im hinteren Bereich vertikal nur sehr wenig Knochen vorhanden. Die gelbe Linie zeigt den Kieferkamm. Das Gebiet zwischen grüner und gelber Linie bezeichnet die ortsständige Knochenhöhe. In Abb. 3 zeigt die rote Linie den neuen Verlauf des Kieferhöhlenbodens nach dem Sinuslift, das Gebiet zwischen roter und grüner Linie den Knochenaufbau/Sinuslift.

Abb. 2
Abb. 2 - Übersichtsröntgenbild vor dem Sinuslift.

Abb. 3
Abb. 3 - Übersichtsröntgenbild nach dem Sinuslift.

Auch der Unterkiefer links ist für die Aufnahme eines Zahnimplantates viel zu schmal (Abb. 4) und muss seitlich aufgebaut werden. Der Wunsch des Patienten ist es, im Oberkiefer wie im Unterkiefer einen festsitzenden Zahnersatz zu erhalten. Für den Kieferkammaufbau aber wünscht er keine Knochenentnahme aus seinem Körper.

Seit ca. vier Jahren offeriert eine Firma die Möglichkeit, aus dem Blut des Patienten und einem kleinen Stück Knochenhaut eigenen Knochen zu züchten. Wir nehmen diese Möglichkeit wahr und erhalten sieben Wochen nach Blutentnahme von der Firma Knochenpads (Abb. 5) auf den Operationstermin per Kurier geliefert. Diese Knochenpads müssen innert 48 Stunden nach Lieferung transplantiert werden.

Abb. 4
Abb. 4 - zu schmaler Unterkieferknochen für ein Implantat.

Abb. 5
Abb. 5 - aus dem Blut des Patienten gezüchtete Knochenpads für den Knochenaufbau im Unterkiefer sowie den Sinuslift links und rechts im Oberkiefer.

Abb. 6 verdeutlicht wieder einmal mehr, dass unter der Schleimhaut viel weniger Knochen zum Vorschein kommt, als man aufgrund eines klinischen Bildes (siehe Abb. 1) erwarten könnte.

Abb. 6
Abb. 6 - Aufklappung des Oberkiefers zur lateralen und vertikalen Knochenaugmentation.

Abb. 7
Abb. 7 - Einblick in eine der beiden Kieferhöhlen.

Abb. 7 gewährt einen Einblick in eine der beiden Kieferhöhlen. Die Kieferhöhlenschleimhaut bleibt links und rechts intakt und ich setze je 15 gezüchtete Knochenpads in die linke und rechte Kieferhöhle.

Weil die gezücheten Knochenpads nicht die volumenstabilität eines Knochenblocktransplantates haben (siehe z.B. Fall 8, habe ich den Pads ein sehr volumenstabiles Knochenersatzmaterial beigemischt, um mindestens 3 bis 4 mm Knochenbreite zu gewinnen.

Abb. 8
Abb. 8 - vernähte Wunde im Oberkiefer.

Die Situation nach dem Vernähen wird in Abb. 8 gezeigt. Noch in der gleichen Operationssitzung habe ich auch den Unterkiefer links eröffnet (Abb. 9). Die Knochenbreite betrug lediglich gut 2 mm. Seitlich habe ich mit Knochenpads und Knochensubstitut angebaut (Abb. 10 und 11) und die Wunde vernäht (Abb. 12).

Abb. 9
Abb. - 9 Knochenbreite im Unterkiefer nach Aufklappen 2-3 mm.

Abb. 10
Abb. - 10 der grüne Pfeil zeigt ein Knochenpad.

Abb. 11
Abb. 11 - Kieferknochenanbau mit Knochenpads vor dem Vernähen.

Abb. 12
Abb. 12 - vernähte Wunde im Unterkiefer.

Abb. 13 zeigt den Oberkiefer zwei Wochen nach Abheilung. Die Oberkieferprothese als provisorische Versorgung konnte bei der Nahtentfernung, also acht Tage nach der Operation wieder getragen werden.

Abb. 14 zeigt den Unterkiefer links einen Monat nach der Operation. Die Unterkieferteilprothese wurde angepasst und wird als provisorische Versorgung für die nächsten 7 bis 8 Monate ihren Dienst erweisen.

Abb. 13
Abb. 13 - Oberkieferwunde zwei Wochen nach Abheilung.

Abb. 14
Abb. 14 - Unterkieferwunde links nach einem Monat.

Mit gut drei Monaten Verspätung auf den ursprünglichen Behandlungsplan konnte meine Tochter Vanessa die vom Zahntechnikermeister Stefan Schafroth perfekt passenden Rekonstruktionen einsetzen. Im Unterkiefer wurden die Kronen festsitzend zementiert (Abb. 20). Im Oberkiefer wurde die Brücke festsitzend auf fünf Implantaten verschraubt (Abb. 15-19).

Abb. 15
Abb. 15 - Die fünf im Oberkiefer schön eingeheilten Implantate kurz vor Verschrauben der festsitzenden Rekonstruktion.

Abb. 16
Abb. 16 - Ansicht der Oberkieferrekonstruktion von vorne (Metallkeramikwerkstück).

Zwei Monate später, am 18. Dezember 2006, wurde die Oberkiefermetallkeramikbrücke definitiv eingesetzt und die Schraubenkanäle mit zahnfarbenem Füllungsmaterial verschlossen (Abb. 17 und 18).

Abb. 17
Abb. 17 - Ansicht des Gaumens: das Metallkeramikwerkstück ist provisorisch über fünf Schraubenkanäle auf den Implantaten festsitzend verschraubt.

Abb. 18
Abb. 18 - Das fertige Resultat im Oberkiefer von der Gaumenseite. Die fünf Schraubenkanäle sind mit zahnfarbenem Füllungsmaterial verschlossen.

Die Vorteile solcher Rekonstruktionen sind die folgenden:

  • ästhetisch sehr schön (wie eigene Zähne), kein Fremdkörperempfinden.
  • funktionell einwandfrei, grazil.
  • reparierbar. Sollte z.B. Porzellan abbrechen, kann der Zahnarzt die Rekonstruktion abnehmen, der Techniker das Porzellan reparieren und der Zahnarzt innert Tagesfrist die Brücke im Mund des Patienten wieder einsetzen.

Auch der Unterkiefer wurde im Seitenzahngebiet rekonstruiert. Und zwar hat Vanessa am 6. Oktober 2006 im Unterkiefer links drei Kronen auf drei Implantaten und im Unterkiefer rechts eine Krone auf einem Implantat (rote Pfeile in Abb. 20) sowie zwei Kronen auf zwei eigenen Zähnen (weisse Pfeile in Abb. 20) definitiv zementiert.

Abb. 19
Abb. 19 - Das fertige Resultat im Oberkiefer von vorne.

Abb. 20
Abb. 20 - Das fertige Resultat des Unterkiefers. Die roten Pfeile weisen auf die Kronen hin, welche auf Implantaten zementiert sind und die weissen Pfeile auf die beiden Kronen, welche auf eigenen Zähnen zementiert wurden.

Abb. 21
Abb. 21 - Das Übersichtsröntgenbild verdeutlicht die perfekt randspaltenfrei passenden Rekonstruktionen im Oberkiefer und im Unterkiefer.

Die ganze Behandlugsdauer betrug also anstatt des geplanten Jahres 15 Monate, von der Blutentnahme am 22. September 2005 zur Herstellung der Knochenpads bis zur definitiven Eingliederung der Oberkieferbrücke auf den fünf Implantaten am 18. Dezember 2006.

Dank

Bei dieser Gelegenheit möchte ich Dr. André Bachmann ganz herzlich für die Überweisung des chirurgischen Teils der Zahnsanierung unseres gemeinsamen Patienten danken.

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